Frankfurt, Waldstadion. Ein Vormittagstraining beim Bundesligisten Eintracht Frankfurt. Michael Skibbe beobachtet das Trainingsspiel seines ausgedünnten Kaders; etliche Spieler verweilen bei ihren Nationalmannschaften, die verbliebenen spielen flankenorientiert auf zwei kleine Tore – unter ihnen Marcel Titsch-Rivero, geboren am 2.11.1989.
Es ist das zweite Jahr des sympathischen Blondschopfs bei den Senioren, das erste von Beginn an im Kader der Profis. Noch in der letzten Saison war Marcel eine der Stützen des Regionalligateams der Eintracht, welches für viele überraschend einen hervorragenden dritten Platz belegte. Viele seiner damaligen Mitspieler haben die Eintracht verlassen; spielen nun in Heidenheim oder Braunschweig in der dritten Liga.
Das zweite Team der Eintracht, die U23, ist ein hartes Pflaster für junge Spieler, deren Traum es ist Profifußballer zu werden. Die gesamte Juniorenzeit darf geträumt werden; die Wirklichkeit beginnt bei den Senioren – die Auslese kennt keine Vereinsverbundenheit und keine Sentimentalitäten. Wer als zu leicht für die Bundesliga befunden wird, wird aussortiert, versucht sein Glück über einen Vereinswechsel. „Das Training ist härter, die Einheiten intensiver“, sagt Marcel, „es geht alles viel, viel schneller.“
Marcel, der 2005 aus der Jugend der kleinen, aber im Jugendbereich hervorragend arbeitenden SG Rosenhöhe zur U17 der Eintracht wechselte, darf weiter träumen. Seit dieser Saison gehört er zum erweiterten Kader des Profi-Teams. Er trainiert unter der Woche mit Amanatidis und Co, nur beim Abschlusstraining der U23 ist er dabei – und an den Spieltagen der Regionalliga Süd. Vier Einsätze stehen dort bislang in dieser Saison zu Buche, alle über 90 Minuten. Im letzten Jahr lief er 27 mal für die Truppe von Trainer Frank Leicht auf, davon 22 mal von Beginn an. Dass es nicht mehr Einsätze wurden lag daran, dass Marcel während dieser Zeit sein Abitur gemacht hatte; der kluge Mann baut vor.
Marcel ist keiner, der die große Geste liebt – aber im Gespräch mit ihm spürt man in jeder Sekunde, dass er den Willen hat, sein Ziel zu erreichen. Betreut wird er bislang von seinem Vater, der ihn auch zu den Spielen begleitet, sogar der Großvater ist manchmal dabei – auch bei Freundschaftsspielen der Profis auf dem Land, in Stadtallendorf oder Hofheim. Sie unterstützen den 19jährigen, der als seine Lieblingspostion das Mittelfeld angibt, „ein weing vor dem Sechser“, wie er sagt. Sein Spiel ist dynamisch, schnörkellos, geprägt von dem Willen über 90 Minuten Gas zu geben.
2005, während des Jugendländerpokals, spielte er mit Marko Marin und Kevin Pezzoni für Hessen. Dort fiel er den Scouts der Eintracht auf, die den Fan des FC Barcelona zur Eintracht lotsten. Schon als Jugendlicher debütierte er in der Oberliga Hessen und drängt nun in den Kader der Bundesliga Mannschaft – wo die Konkurrenz groß ist. Im Gegensatz zur letzten Saison hat Eintracht Frankfurt heuer kaum Verletzte. Da muss ein Nachwuchsspieler erst einmal hinten anstehen.
Dennoch ist es sein Ziel zumindest in den Spieltagskader zu stoßen, vielleicht sogar den ein oder anderen Einsatz zu absolvieren. Intensiver ist das Training der Profis als bei der zweiten Mannschaft, „du darfst dir kaum Fehler erlauben aber es motiviert natürlich unglaublich“, sagt Marcel, der weiß, dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen.
Sein Vereinskamerad Sebastian Jung kann davon ein Lied singen. Noch im letzten Jahr debütierte dieser als Jugendlicher in der Bundesliga, erhielt ausgezeichnete Kritiken – und hat doch 2009/2010 bislang noch keine einzige Chance erhalten, sich auszuzeichnen. Natürlich ist dies für einen jungen Spieler enttäuschend – aber auch diese Erfahrungen gehören dazu, um vielleicht doch wie Patrick Ochs oder zuletzt Marco Russ den Sprung aus dem Jugendbereich der Frankfurter Eintracht zum Stammspieler der Profis zu schaffen. Noch wird Marcel auf der Straße nicht erkannt. Wer weiß, ob sich dies im Laufe der Saison nicht noch ändert.
Das Zeug dazu hat er allemal. Spielerisch und menschlich.
(Text: Axel Hoffmann und Stefan Krieger)