Triple Double

Na gut, ein Triple Double ist eigentlich was anderes. Der geneigte Basketballfan weiß, dass es sich hierbei um eine je zweistellige Zahl bei Punkten, Assists und Rebounds in einem Spiel handelt. Sportsfreund Dirk Nowitzki hat davon bis jetzt zwei in seiner Karriere hingelegt. (Führen tut in dieser Rangliste Oscar Robertson mit sagenhaften 181) Aus dem hauseigenen Statistikbaukasten kann man das aber auch auf die Bundesliga umschreiben – hier für eine Saison – und Thomas Müller es seit dem 7:0 gegen Hannover bescheinigen.

Der gute Herr, der – man vergisst es schnell – immer noch seine erste Saison als Profi spielt, hat seit Samstag nämlich

31 Spiele
10 Tore und
10 Assists

auf seinem Konto. Nach dem 31. Spieltag kann diesen Wert – in allen drei Kategorien zweistellig – nur der Wolfsburger Dzeko aufweisen. Nun kann man über den Sinn dieser Statistik trefflich streiten. Wenn die Bayern am Ende dreimal Zweiter werden, ist denen das auch egal. Es zeigt allerdings, warum der Trainer den jungen Mann bisher in jedem Saisonspiel einsetzt. Müller spielt nicht spektakulär, wenn er neben Rooney ins Old Trafford einläuft, sieht er aus wie ein Fan, er wirkt teilweise überspielt und etwas müde, aber: Trotz allem stehen da 10 Tore und 10 Assists. Und das ist schlicht beeindruckend. Es lässt sich scheinbar sehr gut leben im Schatten von Ribery, Robben und Co. Und das größte Kompliment für einen jungen Spieler dürfte nicht die Bescheinigung einer einzelnen großartigen Leistung in einem Spiel, sondern das Ausstellen des „Konstanz-TÜV“ sein. Und den bekommt Müller trotz aller Unkenrufe, dass er sowieso auf der Bank landet, wenn Ribery (oder Robben, oder Gomez, oder sonstwer) wieder fit ist, beim Blick auf dieses Tabellenblättchen mit Bienchen überreicht. (Im Gegensatz zu vielen anderen Nationalspielern diese Saison)

Ab nach Südafrika mit dem Tüpen.

Kleine Quizfrage am Rande. Gab es eigentlich schon einmal ein Quadriple-Double in der Bundesliga? Also zweistellig in Spielen, Toren, Assists und Gelben Karten? Weder Dzeko (mit 4 Gelben) und Müller (mit 3) werden das wohl diese Saison erreichen …

Läuft ja wie beim Länderspiel

Auch wenn Thomas Müller glücklicherweise um den ersten Länderspieleinsatz (oder die Nominierung) herum kam, ist das erste halbe Jahr als „echter“ Profi beim FC Bayern sehr zufriedenstellend. Bei all dem Gejammer über die ersten Spiele unter dem neuen Trainer, bei all dem sportlichen  Auf und Ab in den letzten Monaten, bei all den Tränen, die man Lucio und Ze Roberto zurecht nachweint: Man hätte wahrscheinlich ganz ohne Seilschaften aus dem Cafe King einiges Geld verdienen können, wenn man die Zahl der Einsätze der beiden hochgezogenen Jugendspieler Badstuber und Müller richtig getippt hätte. Nun ersetzt das erfolgreiche Integrieren der Nachwuchskräfte in die erste Mannschaft im Zweifelsfall nicht den sportlichen Erfolg, den die Bayern-Fans erwarten. Aber neben dem ganzen Getöse rund um Ulis Abschied, van Gaals Zoff mit Luca Toni oder Heimniederlagen gegen Bordeaux kann man auch einmal einen Moment innehalten und mit einem gewissen Respekt feststellen, dass ein Teil des Umbruchs, ein Teil der Verjüngung gelungen scheint.

Müller und Badstuber haben jetzt auf jeden Fall schon einmal das Gefühl gekostet, nicht nur „ganz nah dran“ zu sein, sondern können sich zumindest für diese Hinserie als vollwertiger Teil der Mannschaft fühlen. Vielleicht hilft ihnen das, schwierige Zeiten, die kommen werden, zu überstehen. Vielleicht wechseln sie dann nicht wie Trochowski oder Misimovic entnervt einmal quer durchs Land um zu Nationalspielern zu werden. Und vielleicht bin ich dann bei dem nächsten öffentlichen Rumgemeine, wenn es um eine Nominierung für die Nationalmannschaft geht, nicht mehr so skeptisch wie noch jetzt. Denn natürlich sind die beiden als momentane Stammspieler beim FC Bayern logische Kandidaten für die Nationalelf. Der einzige Deutsche, der in jüngerer Vergangenheit eine Saison bei den Bayern durchgespielt hat und den trotzdem  niemand im Nationalteam haben wollte, war wohl Christian Lell.

Natürlich heißt das nicht automatisch, dass Müller mit nach Südafrika fährt. So wie glücklicherweise sowieso noch relativ wenig „zwangsläufig“ passiert im Fußball. Uns so kann man sich entspannt die mittlerweile 57-seitige Diskussion über den Marktwert bei transfermarkt.de reinziehen (ich tippe, mindestens 17 neue Seiten, falls Müller heute abend in Turin ein Tor schießt), selber ahnungslos sein, ob der Knabe noch spielt, wenn alle anderen Bayern-Stars fit sind und mit einem Schmunzeln zum letzten halben Jahr sagen: Vom Preis-Leistungsverhältnis war das mit Abstand der beste Bayern-Transfer diesen Sommer. Müllers neuer Stellenwert macht es zwar quasi aussichtslos, wie von den Frankfurtern oder Hamburgern hier vorgemacht, in einen persönlichen Kontakt mit ihm zu treten, aber das kann ich – ganz weihnachtlich – verzeihen.

Das Gespenst des schnellen Aufstiegs

Spieler des Monats, acht Spiele – acht Einsätze im Star-Ensemble der Bayern, Lob vom Namensvetter, der im selben Atemzug die Sturmkollegen niedermacht: Es läuft rund für Thomas Müller seit August 2009. Die mediale Aufbereitung der Geschichte der #25 in dieser Saison folgt jetzt dem altbekanntem Muster. Beispiele gefällig?

Es ging gut weiter für die Nummer 25 des FC Bayern, der sich in den vergangenen Wochen – und diese Entwicklung ist tatsächlich mit dem Superlativ „sensationell“ korrekt bewertet – in die erste Elf des FC Bayern gespielt, geschossen und gerannt hat.

„Der junge Kerl ist unglaublich, kann rechts wie links, so wie ich, der ist schnell, kopfballstark – den kannst Du zur WM nehmen.“

Da haben wir das „sensationell“ und auch von der WM, für die man sich noch nicht qualifiziert hat, wird das erste Mal öffentlich geredet. Natürlich sind sich Deutschlands Schreiberlinge ihrer Verantwortung bewusst. Und so schreibt Kicker-Autor Karlheinz Wild dann auch pflichtbewusst einige Zeilen später:

Diese pädagogische Vorsicht – der junge Mann soll nicht abheben – scheint bei Thomas Müller derzeit gar nicht nötig: Er kommt natürlich daher, unbeschwert, aber schon sehr professionell.

Was alles und nichts bedeuten kann. Und vom selben Autor gnadenlos in den nächsten Monaten widerrufen werden wird, wenn es sich anbietet. Motto: „Konnte mit dem schnellem Erfolg nicht umgehen“ Diese Aussagen und Klischees der Güteklasse „finnische Sportler reden nie“ oder „alle Brasilianer können gut mit dem Ball umgehen“ sind mittlerweile so abgedroschen und langweilig, dass man vermuten könnte, sämtliche Sportjournalisten benutzen seit Jahren die selbe Phrasendreschmaschine.

Da wir hier nicht in der Pflicht stehen, bei diesem Spielchen mitzumachen: Man kann nach den ersten zwei Monaten der Bundesligasaison ganz entspannt festhalten. Die Entwicklung und vor allem die Einsatzzeiten von Thomas Müller sind überraschend und erfreulich – für ihn und den FC Bayern. Ein wichtiger Schritt zur Stammkraft im Profifußball ist geschafft. Nicht mehr und nicht weniger. Und wenn man die Spieler von 18mal18 vergleicht, nimmt Müller im Moment ziemlich unangefochten die Spitzenposition ein. Außerdem hat er den Vorteil, dass er bei diesem ersten Schritt die Bürde des frühen Lobs oder einer hohen Ablösesumme (wie bei Holtby) nicht mit sich rumtragen muss. In welche Richtung das nach diesen zwei Monaten geht, ist aber letztendlich weiterhin völlig offen.

Thomas Müller hat allerdings im Moment einen großen Vorteil. Er vollzieht diesen schwierigen Schritt vom Talent zum wichtigen Bestandteil der Mannschaft – man muss ja nicht gleich von Stammkraft sprechen – beim FC Bayern im Schatten von Ribery, Robben, Klose, Lahm und Gomez. Und das ist nicht die schlechteste Ausgangslage. Wie sehr das Gespenst des schnellen Aufstiegs nämlich zuschlagen kann, auch wenn man die erste Hürde längst geschafft hat und fußballerisch schon einiges erreicht und gezeigt hat, kann man dieser Tage in einem bemerkenswertem Interview der „Zeit“ mit Sebastian Deisler nachlesen.

Man sollte Müller also eher wünschen, dass ihm jetzt nicht nach zwei positiven Monaten in der Bundesliga die Knüppel namens „Nationalmannschaftsnominierung“, „Jahrhunderttalent“ oder „Hoffnungsträger“ zwischen die Beine geworfen werden und er diese vielversprechende Entwicklung noch eine Weile fortsetzen kann. Denn so ein Schritt braucht naturgemäß auch Zeit um menschlich und sportlich verarbeitet und einsortiert zu werden.

Thomas Müller betritt die große Bühne

Nach dem ersten Tor in einem Pflichtspiel – letzte Saison in der Champions-League – macht Thomas Müller nun die ersten beiden Treffer in der Bundesliga. Vom Kicker wurde er mit einer 1,5 und als Mann des Spiels ausgezeichnet. Und zu seinem Geburtstag letzten Sonntag hat der nun 20-jährige das erste große Scheinwerferlicht geschenkt bekommen.

Nach seinen fünf Einsätzen in den fünf ersten Spielen ist Müller jetzt aus der gemütlichen Nische des Talentes, was mittrainiert, immer mal eingewechselt wird und nicht weiter auffällt in den Fokus gerückt. Jetzt kommen eigene Ansprüche, die Öffentlichkeit und das Umfeld, was normalerweise eher zur Eile und nicht zur Ruhe mahnt.

Das ist schön, macht seinen Weg nicht leichter, aber unheimlich spannend. Die wichtigen Fragen bringt RealityCheck treffend auf den Punkt.

Doch wo endet nun diese Reise? Wird sich Thomas Müller, nach Phillipp Lahm und Bastian Schweinsteiger (zusammen mit Holger Badstuber) als nächster Nachwuchsmann dauerhaft in die erste Elf spielen? Oder droht ihm das Los der one hit wonder, die nach einer guten Startphase vergessen und schlussendlich ihr Glück in Hamburg, Wolfsburg und anderen Orten suchen und finden?

Auf jeden Fall kein schlechter Start in die erste Saison als vollwertiges Mitglied der Profi-Mannschaft.

[update] Und alles oben Geschriebene kann nach den zwei Toren im ersten Champions-League-Spiel der neuen Saison noch einmal bedingungslos unterstrichen werden.

#25 Thomas Müller

Das Kostüm des großen Talentes sollte bei den Bayern in den nächsten Jahren eigentlich Toni Kroos tragen. Der wird mittlerweile bei Leverkusen immer mal wieder eingewechselt und Uli Hoeneß explodiert wahrscheinlich in diesen Tagen des angespannten Nervenkostüms, wenn man ihn auf die Nummer 10 anspricht, die dem Greifswalder mal versprochen wurde und die nun Arjen Robben trägt. „So schnelllebig ist Fußball“ sagen die einen, die anderen prügeln reflexartig auf die Nachwuchsarbeit der Bayern ein, wo Talente verbrannt werden oder sich nicht durchsetzen, erst zu anderen Vereinen wechseln müssen (Lahm) und Schweinsteiger zwar irgendwann Rekordnationalspieler aber halt „doch kein richtig guter“ mehr wird.

Umso erstaunlicher, dass es mit Holger Badstuber und Thomas Müller diese Saison – so unbemerkt, wie das beim FC Bayern überhaupt geht – zwei Talente aus der eigenen Jugend in den Profikader geschafft haben. Um Thomas Müller – den jüngsten Spieler im aktuellen Team des Rekordmeisters – soll es dieses Jahr hier gehen. Eine Bürde schleppt der junge Mann schon mit sich rum: Bei seinem Verein bedeutet der normalste Name der Welt eine ganze Menge mehr, als bei anderen Bundesligisten. Wie geht man damit um, wenn der erste Treffer im eigenen Stadion – auch wenn er das letztendlich unbedeutende 7:1 gegen Lissabon war – den Anhängern eine Gänsehaut über den Rücken jagt, weil es jetzt wieder müllert in München?

Youtube: Thomas Müller gegen Sporting Lissabon

Wer verbirgt sich hinter dem äußerlich ziemlich Unauffälligem? Wie geht man damit um, im ersten Spiel mit Robbery nicht ausgewechselt zu werden? Muss man in München schon mit 19 ins P1 oder darf man ganz ungestraft noch Teenagerblödsinn bauen? Droht im Winter eine Ausleihe nach Duisburg, weil man das Gefühl hat, der letzte Schritt zum Fußballprofi ist der Schwerste und in München unmöglich? Hat die Jugend beim FC Bayern mehr Ahnung vom Internet als der Vorstand? Verspricht Uli Hoeneß Thomas Müller irgendwann die Trikotnummer 13 und zwingt Jogi Löw, ihn mit nach Südafrika zu nehmen?

Daten, Zahlen, Fakten: Geboren am 13.09.1989, 1,86 groß, nach seinem Jugendverein, dem TSV Pähl, nur noch bei den Bayern aktiv. Ein bißchen U19, U20 und U21 gespielt, aber nicht so, dass der Aufstieg zum Profi beim FC Bayern zwangsläufig gewesen wäre. Beraten vom ehemaligen Bayern-Spieler Ludwig Kögl, 1. Bundesliga-Spiel am 1. Spieltag der Saison 2008/09 gegen den HSV, Marktwert laut Transfermarkt.de im Moment 1.5 Millionen Euro. Wenn man Google fragt, ob er ein Jahrhunderttalent ist, antwortet Google nur schlappe 228 mal – und spricht da doch eher immer von Toni Kroos und eben nicht von Müller. Alles reichlich unspektakulär für einen Bayern-Profi. Aber immerhin durfte Müller im Gegensatz zu etablierten Kollegen wie Klose in bisher jedem Spiel in dieser Saison mitwirken.

Bei keinem anderen Verein passt ein kaiserliches „Schaunmermal“ besser. Und genau das wird jetzt hier das nächste Jahr passieren.