Die Nachwuchsarbeit des VfB Stuttgart gilt traditionell als vorbildlich – spätestens die sogenannten jungen Wilden, die in den ersten Jahren des neuen Jahrtausends nicht nur die Liga aufmischten, sondern sich auch in der Champions League mehr als achtbar schlugen, vermittelten diese Erkenntnis den Fußballinteressierten im Land.
Auch derzeit steht neben den längst etablierten Größen wie Tasci oder Khedira eine Reihe talentierter Kräfte aus dem eigenen Nachwuchs im Kader: Patrick Funk, Daniel Didavi, Sven Ulreich, Julian Schieber und Sebastian Rudy („importierte“ Nachwuchskräfte wie Gebhart, Niedermeier oder Träsch bleiben bei dieser Betrachtung außen vor). Während Funk und Didavi noch ohne Erstligaerfahrung sind, haben Rudy, Ulreich und Schieber bereits einige Einsätze vorzuweisen.
Schieber hat dabei nicht nur zahlenmäßig die Nase vorn, sondern auch in punkto Kurvenpräsenz – die Fans in der Cannstatter Kurve haben sich um die Wiederaufnahme eines vergessen geglaubten Gesangs verdient gemacht, der in der Vergangenheit eher den Schiedsrichtern gewidmet war:
„Schieber! Schieber! Schieber!“
Eine ähnlich gute Rolle traue ich Sebastian Rudy zu. Zur sportlichen Komponente komme ich gleich, doch abseits aller sportlichen Erwägungen wäre es mir ein große Freude, wenn die Cannstatter Kurve im Lauf der kommenden Jahre regelmäßig eine wunderbare Melodei der Kaiser Chiefs aufnähme und deren Adaption an Wayne Rooney vergessen ließe. Was dann im Stadion (oder auf dem Schlossplatz) auch gerne einmal so aussehen dürfte:
Youtube: Kaiser Chiefs „Rubyrubyruby“
Bis dahin dürften allerdings noch ein paar Schritte zu gehen sein, womit wir bei der sportlichen Betrachtung wären. Sebastian Rudy spielte nicht nur in verschiedenen Junioren-Nationalmannschaften des DFB, wobei er unter anderem Dritter bei der U17-WM 2007 wurde, sondern ist darüber hinaus Träger der Fritz-Walter-Medaille in Silber, der (zweit)höchsten Auszeichnung des DFB für Nachwuchsfußballer – was naturgemäß nicht mehr als ein Versprechen sein kann, für manchen gar eher Verpflichtung und Bürde ist. Zumindest die Frage nach Rudys Talent dürfte vor diesem Hintergrund jedoch klar beantwortet sein, auch wenn er es nicht, wie vor Jahren fälschlicherweise kolportiert, von seinem angeblichen Vater Andrzej Rudy in die Wege gelegt bekam (dessen Sohn tatsächlich auch Sebastian heißt).
Die Lobeshymnen sind seit Jahren allgegenwärtig – vom ehemaligen DFB-Präsidenten MV (wie immer man das bewerten will), von Jugend- und DFB-Trainern, von mir (wie immer man das bewerten will) angesichts verschiedener Eindrücke aus Spielen der zweiten Mannschaft, aber auch von Spielern der Profimannschaft, insbesondere von Ludovic Magnin (wie immer man das bewerten will). Dementsprechend wurde Rudy bereits zur Saison 2008/09, wenige Monate nach seinem 18. Geburtstag, in den Profikader des VfB integriert, und feierte sein Pflichtspieldebüt in der ersten Pokalrunde. In den folgenden Wochen kam er unter Trainer Veh nur noch sehr selten zum Einsatz und stand lediglich im Uefa-Cup bei Cherno More Varna in der Startelf, ehe er sich bis auf weiteres im Drittlligakader wiederfand.
Nach der Entlassung von Armin Veh bestand eine der ersten Maßnahmen von Markus Babbel darin, Rudy wieder in den Bundesligakader zu holen, doch bereits im ersten Training zog er sich einen Kahnbeinbruch zu und fiel einige Wochen aus. Angesichts der Erfolgsbilanz des neuen Trainers verwunderte es anschließend nicht, dass sich Rudy nicht mehr in die Mannschaft spielen konnte und erst zur neuen Saison wieder von sich reden machte.
Im Vorbereitungsspiel gegen Schalke traf er vor einem Millionenpublikum, und nachdem er nicht nur im DFB-Pokal und den Champions League Qualifikationsspielen zum Einsatz kam, sondern am zweiten Spieltag gegen Dortmund auch sein Bundesliga-Startelfdebüt gab, ist er nicht nur der fußballinteressierten Öffentlichkeit ein Begriff und wurde erstmals in die U21 berufen, sondern darf sich für die neue Spielzeit auch deutlich mehr Einsatzzeiten erhoffen. Zwar konnte er in den bisherigen Pflichtspielen, anders als in der Saisonvorbereitung, nur bedingt überzeugen, und die Transferaktivitäten des VfB im August haben ihm auch nicht gerade in die Karten gespielt – Hleb ist auf Rudys Schokoladenposition gesetzt, und vermutlich wird auch für das defensive Mittelfeld noch nachgelegt; der Eindruck, dass Trainer Babbel angesichts der Erfahrungen aus der CL-Saison 2007/08 den etablierten Spielern offensichtlich mehr Verschnaufpausen gönnen will, dürfte indes seine Einsatzchancen enorm erhöhen. Und von Hleb zu lernen, dies hat Rudy bereits selbst erkannt, ist vermutlich nicht die schlechteste Alternative.