„Dabei sind wir nicht schlechter als die“

Wir dürfen unsere Talente nicht verheizen.

Diesen oder ähnliche Sätze hört man von Deutschlands Trainern häufig, wenn es um den Einsatz der Hochbegabten in der höchsten deutschen Spielklasse geht. Die „schützende Hand“ der Übungsleiter wird nicht selten über die angehenden Fußball-Profis gehalten, wenn diese sich mit ihren Leistungen für einen Einsatz in der ersten Elf empfehlen. Eine logische Vorgehensweise? Nicht zwangsläufig.

Es scheint ein typisch deutsches Phänomen zu sein, den jungen Spielern nicht das Vertrauen entgegen zu bringen, was sie möglicherweise verdient hätten. Ein Blick auf die englische Premier League oder auf die niederländische Eredivisie verrät, dass sich Talente auch durchaus positiv entwickeln können, wenn sie bei den Profis Spielpraxis erhalten, auch wenn sie noch nicht das 20. oder 21. Lebensjahr vollendet haben. Bei internationalen Spitzenvereinen wie Arsenal London (Altersdurchschnitt des Kaders 24,0 Jahre) oder Ajax Amsterdam (Altersdurchschnitt des Kaders 24,5 Jahre) ist es gang und gäbe, die Youngsters einzusetzen, wenn sie das nötige Leistungsniveau erreicht haben. Nicht selten sind diese Spieler zwischen 17 und 19 Jahren alt.

So basiert zum Beispiel das Ausbildungskonzept von Ajax Amsterdam auf dem Leitfaden „TIPS“. Das Fußball-Jugend-Portal „FD21“ erläutert:

TIPS ist eine Abkürzung und steht für Technik, Spielverständnis (holl.: inzicht), Persönlichkeit und Schnelligkeit. Wenn jemand die Kriterien nicht erfüllt, muss er am Saisonende den Verein verlassen.

Dieser Leistungsdruck in einem frühen Stadium der Ausbildung hilft als Profi. Selbst wenn es für Ajax nicht reicht, ist man oft gut genug für andere Klubs: Fast hundert Erst- und Zweitliga-Spieler in Holland waren zumindest eine zeitlang bei Ajax.

In Deutschland hingegen müssen die jungen Talente häufig lange warten, bis sie ihre Chance in der Bundesliga erhalten und ihre Klasse beweisen können, auch wenn sie die nötigen Voraussetzungen dafür wohl mitbringen würden. „Wir wollen so schnell wie möglich bei den Profis debütieren. Nächste Saison wäre schön“, erklärte Bienvenue Basala-Mazana vor der Saison und nach dem Gewinn der U17-Europameisterschaft. Die meisten Spieler des damaligen EURO-Gegners England haben bereits Erfahrung in der ersten Liga ihres Landes gesammelt. Eine Erfahrung, die Basala-Mazana momentan noch abgeht. „Dabei sind wir nicht schlechter als die. Wir haben die hoch geschlagen“, sagt er selbstbewusst mit dem festen Ziel, die Tatsache, noch nicht für einen Einsatz bei den Profis in Frage gekommen zu sein, bald zu ändern.

Die Bundesligavereine täten gut daran, nicht nur auf ihre Jugendspieler zu setzen, wenn die missliche Lage besteht, keine millionenschwere Stars verpflichten zu können. Auch wenn Ausnahmen die Regel bestätigen, ist dies in Deutschland immer noch der Fall.

(Text: effzeh.)

4 Gedanken zu „„Dabei sind wir nicht schlechter als die“

  1. Ja, sehr richtig, effzeh. Ich würde gerne wissen, ob es irgendwo eine Untersuchung gibt, die sich damit beschäftigt, wie die langfristige Wirkung von vielen vs wenigen Einsätzen auf hohem oder höchstem Niveau in jungen Jahren auf die spätere Leistungsfähigkeit ist.

    Bis da nichts bewiesen ist, bleibt die Rede vom „Verheizen“ das hierzulande typische Schwafeln aus dem Bauch raus.

    „Müssen mehr über Außen spielen“ etc.

    Kennt jemand eine solche Studie?

  2. Das wäre sicherlich mal interessant, dieses Thema aus sportwissenschaftlicher Sicht anzugehen. Eine Studie ist mir bisher nicht bekannt.

    Schaut man sich einmal den Begriff „verheizen“ über die Definition an…

    „jemanden verheizen“ (gespr pej;) jemanden rücksichtslos ausnutzen und dadurch seine Kräfte erschöpfen

    … so stelle ich mal die „gewagte“ These auf, dass sich Einsatzzeiten auf höchstem Leistungsniveau bei den entsprechenden Fähigkeiten (definiert über TIPS) eher förderlich auf die „Kräfte“ des Spielers auswirken, da dieser sich auf höhrem Niveau weiterentwickeln kann als es in den unteren Klassen der Fall wäre.

    Aus Sicht der Entwicklungspsychologie kann man sich diesem Phänomen wohl am ehesten über die Debatte des „Anlage-Umwelt-Problem“ nähern. Zwei Pflanzen entwickeln sich mit gleichem Erbmaterial z.B. unterschiedlich, je nachdem, ob sie in einer trocken oder feuchten Landschaft gepflanzt werden.

    Auch hier bin ich der Meinung, je eher die Pflanze (hier: der Spieler) in ein feuchtes Gebiet kommt (hier: das höhere Leistungsniveau), desto besser ist es für die weitere Entwicklung.

  3. für die Pflanze ist es aber vorallem günstig, wenn sie regelmäßig gegossen wird – das heisst: regelmäßig spielt. Und das ist eben dann doch eher in den Jugendmannschaften oder den zweiten Mannschaften der Profivereine der Fall. schliesslich geht mit diesen jungen Spielern auch ein gewisses Risiko mit: Sie werden eben hier und da ihre Fehler machen.

    insofern kann man auch die Rechnung aufstellen: Der deutsche Nachwuchs hat sich zuletzt international so gut geschlagen, weil er regelmäßig spielt – unabhängig von der Spielklasse, während die Briten zwar in der Premier League dabei sind…aber eben nur auf der Bank bzw. für zwei/drei Kurzeinsätze

  4. @derFlo:

    Natürlich muss man den Spielern eingestehen – egal welchen Alters – dass sie auch mal Fehler machen dürfen. Das meinte ich oben im Text mit „Vertrauen entgegen bringen“.

    Auch wenn ich den Klub nicht besondes mag, hat mich die heutige Aussage von Lukas Schmitz (S04) im kicker bezüglich Trainer Magath und dessen „Erfolgsrezept“ im Umgang mit jungen Spielern schon beeindruckt: „Vielleicht, dass er uns ganz genauso behandelt wie die ältern auch: Er verlangt von jedem immer 100 Prozent Einsatz. Aber wer die mitbringt, der darf auch Fehler machen.“

    Ein FC Liverpool hätte sich gestern beim Spiel in der CL gegen Florenz sicherlich gefreut, wenn ein gewisser Stevan Jovetic (19), Debüt mit 18 in der Serie A, dann doch lieber weiter in der A-Jugend von Partizan Belgrad spielen würde:

    http://sport.sf.tv/nachrichten/archiv/2009/09/29/fussball/jovetic_schiesst_liverpool_ab

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